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50. Die Liebe

Sie definiert haben schon viele, aber keiner getan. Wohl an, lasset es uns versuchen. Welche Liebe kennen wir?

Die Liebe zwischen Mann und Frau, die Liebe zu Kindern, die Menschenliebe, die Liebe zu Tieren und zu Steinen. Halt, warum zu Steinen. Nun, sagte da einmal eine Frau: "Herrlich, diese Plastik vom Ramazotti, ich liebe Sie!" Beachten Sie das Ausrufungszeichen. Es ist unangebracht. Es ist keine Liebe sondern nur Einbildung, oft entstanden aus reiner Sammelleidenschaft, nur Empfindung. Natürlich fühlen wir uns wohl am Meer, lieben es und empfinden es als herrlich, wenn einem der Seewind durchs Haar streicht. In diesem Fall ist es Empfindung.

Ich messe dem Unterschied zwischen Gefühl und Empfindung wesentliche Bedeutung bei. Gefühl oder Empfindung sind wesentliche Bestandteile, konkret spürbare Auswirkungen der Liebe, die die Liebe teilen. Teilen in die bedingungslose und die bedingte Liebe.

Die bedingte Liebe ist Ausdruck unserer materialistischen Einstellung. Wir fordern grundsätzlich die Erfüllung und wissen, daß wir dafür bezahlen müssen. Geben wir uns hin, fordern wir vom anderen Gegenwerte ein. "Jetzt habe ich mich hingegeben, jetzt muß der Andere...". Ich sage, diese Einstellung ist tierisch, banal und völlig falsch. Die bedingte Liebe sollte sein.... Nein, sie sollte nicht sein, die bedingte Liebe. Sie sollte nur, und ausschließlich, bedingungslos sein.

Wer nur empfindet, kann im Grunde nicht lieben, ist doch die Empfindung nur ein Hauch, ein Augenblick. Die Reaktion auf die Aufnahme von Eindrücken - unbewertet. Erst danach erfolgt die Weitergabe an die Gefühlsebene. Der Tatsachenmensch wird in weiterer Abfolge diese Eindrücke verarbeiten - also denken. Damit ist aber der Karren schon verfahren. Baut er doch seine Realität einzig auf der Empfindung auf. Er schafft sich ein geistiges Bild, ein Spiegelbild seiner Wünsche, einen Traum. Und fordert ihn ein, diesen Traum, vom Geliebten.

Anders der Gefühlvolle. Er ist eigentlich derjenige, der seine Ideale verwirklicht sehen möchte. Er prüft, wägt und zählt also vorab, bevor er sich hingibt, der Empfindung. Unweigerlich betrachtet er das Geliebte. Jetzt sollte man meinen, daß das wägen, zählen und messen, wenn es vorab erfolgt, dem Tatsachenmenschen eher entspricht.

Genau das Gegenteil ist jedoch der Fall. Geschieht diese Bewertung doch zum geringsten Teil aus Eigennutz, sondern eher, um den Anderen nicht zu verletzen. Aus der Einsicht, ihm helfen zu müssen, das Wunderbare auch zu sehen. Jedenfalls nicht, um ihm das aufzudrängen. Wäre er doch dann geformt, also geführt. Der wahrhaft Liebende jedoch kann nicht erobern, er muß dem Anderen die Freiheit lassen, sich am Wege der Erkenntnis zu positionieren.

Erst dann, wenn er feststellt, daß der Andere aus eigenem Willen am Wege neben ihm steht, dann ist er glücklich. Braucht auch nicht die Hand auszustrecken und hoffen. Streckt er sie aus, werden sie sich genau in der Mitte treffen, die Hände, das weiß er und es ist dann auch so.
Ab dann ist diese bedingungslose Liebe auch nicht mehr Besitz. Im Grunde nicht mehr zuzuordnen. Einem besonderen Menschen jedenfalls nicht, den besonderen Menschen schon. Das darf aber nicht zur allgemein gültigen Regel werden. Kann es doch nur jene betreffen, die sich ihrer Liebe, die ihnen allein gehört und sonst niemanden, bewußt sind und die geliebten Menschen niemals zu enttäuschen oder zu betrügen suchen.

Das Wort Betrug, das gerade in diesem Zusammenhang für die Allgemeinheit ja eine völlig einfache, ja klare Bedeutung hat, verschwimmt hier oft, wird nicht deutbar, um letztlich doch in völliger Klarheit aufzuerstehen.

Jemand der den Betrug nicht annimmt, weil er liebt, liebt bedingungslos. Der Betrogene ist ein Tauschhändler, ein Käufer der nach der Garantiefrist zu reklamieren versucht. Es muß doch jedes wahrhaft Liebenden Bedürfnis sein, daß der Geliebte völlig glücklich ist. Mit allen Konsequenzen. Fühlt er sich betrogen, weil der Geliebte auch jemand anderen liebt, ist seine Liebe bereits bedingt, also ein Tauschhandel.

Diese Einstellung habe ich ihnen dargebracht. Und ich belege sie mit dem Verbot. Dem Verbot, es so zu sehen. Es sei denn, Sie haben die Kraft und die Kenntnis, das Natürliche zu leben. Sich den Gesetzen der Natur unterzuordnen und es nicht wie der Liberale aus dem Bauch zu leben, sondern aus dem Geiste.

Die Aussagen der letzten drei Absätze sind gemäß meinen Erkenntnissen aus den Betrachtungen der Vordenker eindeutig falsch. Thomas von Aquino (1225 - 1274) hat das unstrittig, bis heute unstrittig, und umfassend analysiert. Anzunehmen ist, daß die meisten dieser Großen auch nur Menschen waren. Lebten.

Als reiner Materialist haben sie es bequemer. Definieren sie einfach die Liebe als Beziehungssucht, also Krankheit, und glauben sie nur an die "Good vibrations". Dann sind sie alle Sorgen los, die Zweifel aber nicht.

Wenn Sie ein Leben in zärtlicher, geistiger Hingabe zu einem Menschen verbringen können, ohne mit ihm ins Bett zu gehen, dann dürfen Sie das auch, das ins Bett gehen. Ohne gegen die natürlichen Gesetze zu verstoßen. Egal ob Sie andere lieben mit ihnen partnerschaftlich das Bett teilen oder nicht.

Auch das ist allerdings wirklich nur jenen vorbehalten, die sich diese Erkenntnis selbständig abgerungen haben. Denn das Wort ist Schall und Rauch. Und wenn sie es glauben möchten, glauben sie bitte zuerst an Gott und beherzigen sie seine Gesetze. Meine Worte sind unwichtig.

Nehmen sie es aber bitte nicht als gottgewollt, wenn Sie jemanden finden, den sie mehr zu lieben glauben als ihren (Ehe)-Partner und leiten davon das Recht ab, ihn, oder gar auch die Kinder, zu verlassen. Das ist sicher nicht gottgewollt, habe ich nie gesagt, und ist sichern nicht moralisch, und schon gar nicht edel. Tun sie es dennoch, straft sie das Leben dafür. Wetten? Nicht heute, nicht morgen, aber die Rache des Lebens kommt, und sei es im Alter.
Soweit zum zeitgeistigen Kernthema Nummer eins. Gott sei Dank, es ist gesagt. Denn es ist eigentlich unwichtig. Nur ein Teil der Liebe, derjenige, der zumeist aus unseren Trieben hervorbricht und oft zum Erbrechen einfältig.

Mit der Erkenntnis kommt die Einsicht. Die Einsicht, daß vorstehendes Auseinanderdividieren der Liebe eigentlich unstatthaft ist. Vielmehr sollten wir die Liebe als umfassend betrachten. Die körperliche Liebe sollte bitte nur als Manifestation der geistigen betrachtet werden. Sie kommt aus dem Trieb. Ich wiederhole mich, leben wir ihn aus, mit aller natürlichen Verantwortung dafür, aber fordern wir nicht Liebe. Sie wird uns gegeben wie wir sie hingeben. Allen Menschen. Sind wir dazu bereit, wird unser Leben wunderbar. Es kann niemanden geben, der Liebe ignorieren kann. Das Zugehen eines anderen Menschen einfach wegstecken kann, und ihm mit der Faust ins Gesicht schlagen kann, ohne selbst der Getroffene zu sein, im Herzen. Nun vielleicht nicht gleich, aber irgendwann kommt sie, die Liebe und fordert sie ein, die Reue. Je später das passiert, desto furchtbarer wird sie sein, die Verzweiflung, die Erkenntnis und die Reue.

 

Die Menschen sind zu bedauern,
die mit einem Menschen zu leben haben,
der ihr Maß überschreitet.

Michel de Montaigne (1533 – 1592)

 

Ich liebe dieses Leben.


Doch es ist nicht leicht,
den Geist so einfach aufzugeben.
Vieles hab ich schon erreicht,
und zwängen mich die Triebe,
zu handeln nicht, wie ich es liebe,
dann wäre doch mein Streben,
mich dem Genusse hinzugeben.

Und immer wenn es soweit ist, mein Geist
den Körper zwingt, in Liebe.

Und wenn sie alle meist
sagen, der Geist ist schwach und nicht die Triebe,
da sag ich dann mit Trauer nur:
"Das mag ja sein, für euch vielleicht".

Ich aber weiß, da bin ich stur,
mein Geist ist anders, und das reicht.

(Willi Moser 2000-06-26)

 


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