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24. Sichtung – Dirk

Beim Einfühlen in seine Lebensweise werden wir feststellen, daß Dirk ein Romantiker ist. Einige Beweise haben wir ja in der Geschichte, daß die Menschen, die sich aus der Masse hervorhoben, Romantiker waren. Julius Cäsar wollte zum Beispiel nichts lieber, als Alexander der Große sein, so sagt man.

Unser Dirk geht einen merk - würdigen Weg. Es hat den Anschein, daß er keinem Idol nacheifert sondern einem Ideal. Er möchte, was ja hoffentlich alle Menschen wollen, rein und edel sein. Seine Einstellung ist die des Gebenden, um der Gabe willen, nicht um des Erfolges. Es erscheint, als ob Dirk sehr bescheiden wäre, es sei denn, es ginge um Einsichten. Dann wird er lebendig, der Dirk, schmettert andere Ansichten nieder und kennt keine Gegenargumente.

Natürlich kennt er sie, die Gegenargumente. Aber fast alle anderen nicht. Derenthalben ist er noch lange kein Sturkopf. Er weiß eben, daß gewisse Dinge so sind wie sie sind und sein müssen. Er hat eine Betrachtungsebene erreicht, wo zum Beispiel der Hofrat keine Chance mehr hat, ihm entgegenzutreten. Das ist das Problem. Dirks Argumente sind fundiert, erlebt oder erlesen und jede noch so kleine Bemerkung entbehrt nicht des Fundamentes.

Der bequeme Hofrat hat nur seine Sprache, die er dreht und windet, wie es ihm gefällt. Der Zeitgeist kommt ihm dabei entgegen, erlaubt er doch jenes Geblah ohne Kritik. Der Worte Macht sind nicht bedeutend, in diesem Geiste. Eine Unterhaltung wird nicht nach Inhalt bewertet, sondern nur nach seinem Grimme oder seiner Wärme. Die Diskutanten könnten genauso in einer Fremdsprache diskutieren, es wäre unerheblich. Einzig die Macht des Einzelnen zählt.

Und wäre der verbale Angriff noch so stupide, die johlende Zustimmung ist ihm sicher. Ab diesem Punkt kann der Angegriffene persönlich mächtig und stark sein wie er will, gegen die Provokation mit blödem Gegrinse ist er chancenlos. Er kann die Ebene seiner verbalen Gegner nicht erreichen. Seine Ehre hindert ihn daran, unter die Gürtellinie zu schlagen. Im übrigen weiß er, daß er nicht unter die Körpermitte schlagen darf. Die Masse würde ihn dafür lynchen, entspricht es doch nicht seinem Bild. Eine Moderatorin zum Beispiel darf blauäugig schauen und es tun. Er nicht. Zustimmendes Gejohle der Masse ist ihr gewiß, der Moderatorin, wie: "Ffau leiwand, host de gsegn, des woa echt tierisch. De hod eam ausanounda gnumma. Na bist du deppart!"

Wenn das Wort in einer gewissen Ebene nicht mehr empfangen wird und nur die Show, das Wiegen der Masse in Empfindungen das Ziel ist, dann ist Dirk fehl am Platze. Deswegen macht er sich rar und trauert. Trauert um diese Menschen, die statt zu höhnen und zu spotten, sprechen lernen sollten.

Meist sind sie der Vokabel, die sie gebrauchen, gar nicht mächtig und brabbeln in ihrer Fäkalsprache nur, um die Lacher auf ihrer Seite zu haben oder haben sich's Kaiserdeutsch ang'wöhnt um im Kreis reden zu können. Das gibt Sicherheit, ist aber nicht Dirks Welt. Dirk liebt die Herausforderung, die Unsicherheit, das Unerklärliche. Er strebt nach Erkenntnis und hungert nach Wissen, nicht nach Fortschritt.

Dirks Welt ist hell, rein und licht. Sie ist die bewußt erlebte Hoffnung, die Sehnsucht, die Liebe und die Treue. Er hat ja ein Weltbild, ein genaues.

 

Spruch

"Ist doch – rufen sie vermessen –
Nichts im Werke, nichts getan!"
Und das Große reift indessen
Still heran.
Es erscheint nun; niemand sieht es,
Niemand hört es im Geschrei:
Mit bescheidner Trauer zieht es
Still vorbei.

Ernst von Feuchtersleben (1806 - 1849)
 


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